Dürfen die Kirchen Steuern erheben? Ja, sie dürfen, denn die beiden großen Kirchen sind Körperschaften öffentlichen Rechts, und zum verfassungsmäßigen Privileg solcher Körperschaften gehört in Deutschland das Recht, Steuern zu erheben. Dies wurde 1919 in der Weimarer Reichsverfassung so geregelt. Dort heißt es im Artikel 137, Absatz 5: »Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten.« Dieser Artikel wurde unverändert 1949 ins Grundgesetz übernommen.
Staatliches Einzugsverfahren
Neben den beiden großen Kirchen haben heute in Deutschland auch andere Religionsgemeinschaften Körperschaftsstatus, so zum Beispiel die Jüdische Kultusgemeinde, aber auch Weltanschauungsgemeinschaften wie der Humanistische Verband oder der Bund für Geistesfreiheit. Diese Körperschaften sind alle berechtigt, ihre Mitgliedsbeiträge in Form von Steuern zu erheben, die mit dem staatlichen Steuereinzug eingezogen werden. Es wird also die bestehende staatliche Steuerverwaltung genutzt. Dieses System ist für die Kirchen und anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sehr nützlich, denn es erspart den Aufbau einer eigenen kostspieligen Finanzverwaltung. Und dem Staat ist es ganz recht, denn er lässt sich diesen »Kundendienst« mit mindestens drei Prozent des Gesamtaufkommens der jeweiligen Steuern gut bezahlen.
Unterschiedliche Belastungen
Natürlich ist der Unterschied zu »normalen« Steuern, dass jeder Mensch durch Austritt aus der Kirche sich der Zahlungspflicht entziehen kann. Das geht natürlich bei der Lohn- oder Einkommenssteuer nicht. Für die Kirche ist das bestehende System sehr nützlich, denn es sorgt für ein planbares Finanzaufkommen und belastet die Mitglieder nach ihrer Leistungsfähigkeit. Denn wer so wenig verdient, dass er oder sie keine oder kaum Steuern bezahlt, der oder die bezahlt auch keine oder kaum Kirchensteuer.